Popmusikalische Streifzüge - Ole Löding

Shownotes

„Wenn wir in Düsseldorf aus dem Zug aussteigen, dann steigen wir hoffentlich an Gleis 17 aus. Ich sage das deswegen, weil Gleis 17 der Ort ist, an dem einer der ganz berühmten Fotoshoots mit der Düsseldorfer Band Kraftwerk stattfand, als die 1977 ihr Album Trans Europa Express veröffentlich haben, haben sie sich auf Gleis 17 ablichten lassen. Das heißt, sobald man in Düsseldorf ist, auf Gleis 17 einläuft, ist man sofort drin, an einem pophistorischen Ort.“

Dr. Ole Löding hat eine Leidenschaft für Popmusik. Der Kulturwissenschaftler, Journalist und Musikliebhaber erzählt uns, wie Nordrhein-Westfalen und seine Städte klingen. Ole nimmt uns mit auf einen pophistorischen Streifzug durch NRW. Unsere Stopps: Düsseldorf, Köln und das Ruhrgebiet. Er erzählt uns, welche Orte popmusikalisch höchste Relevanz haben, was der Sound of Cologne ist und wieso Kraftwerk-Fans unbedingt an Gleis 17 des Düsseldorfer Hauptbahnhofs ankommen sollten.

Weitere Infos zur Folge unter: www.dein-nrw.de/podcast-episode-acht | https://www.nrw-tourismus.de/soundofurbanana

Moderatorin: Claudia Linzel | Webseite: www.dieleichtigkeitderkunst.de

Gast: Dr. Ole Löding | Webseite: www.sturmstadt.de

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Dieses Projekt wird als Teil der Reaktion der Europäischen Union auf die COVID-19-Pandemie gefördert.

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00:00:00: Wenn wir in Düsseldorf aus dem Zug aussteigen, dann steigen wir hoffentlich in Gleis siebzehn aus.

00:00:05: Ich sage das deswegen gleich siebzehn, weil Gleis siebzehn der Ort ist, an dem einer der ganz berühmten Fotoshoots mit der

00:00:14: Düsseldorfer Bandkraftwerk stattfand, als die 1977 ihr Album Trans-Europa-Express veröffentlicht haben, haben sie sich auf Gleis siebzehn shooten

00:00:24: lassen, das heißt also sobald man in Düsseldorf ist, auf Gleis siebzehn

00:00:28: einläuft, das ist auch eins der Gleise für die internationalen Züge oder die nationalen Züge, dann ist man sofort mittendrin an einem Pophistorischen Ort.

00:00:36: Music.

00:00:57: Wie klingt eigentlich eine Stadt?

00:01:00: Ich meine damit nicht Hupen, Fahrrad klingeln oder Baustellengeräusche. Ich meine auch nicht Glockengeläut, Geplauder aus Cafés oder Straßenmusikanten. Wobei Musikanten trifft es vielleicht schon,

00:01:14: denn ich denke an die akkustisch-musikalische Identität einer Stadt.

00:01:20: Ich frage mich, welche Sounds eine Stadt über die Grenzen hinaus wahrnehmbar machen.

00:01:26: Sind es Songs, die für eine Stadt geschrieben wurden? Wie Bochum von Grönemeyer.

00:01:32: Sind es Bands wie Kraftwerk aus Düsseldorf, die aus ihrer Heimatstadt heraus einen kometenhaften Aufstieg in das internationale Musikbusiness hingelegt haben?

00:01:43: Oder sind es Clubs, die den musikalischen Mythos einer Stadt ausmachen? Zum Beispiel das Hallmarkenreuter in Köln.

00:01:52: Oder sollten wir die Frage umdrehen, ist es gar die Stadt, die Einfluss auf die Musik hat? Gibt es Songs, die eure Stadt repräsentieren?

00:02:02: Bevor ich mich hier weiter auf dünnem Eis bewege, ziehen wir uns doch lieber einen Experten zu Rate, der mit Publikationen wie Sound of Cities ganz genau weiß, welche Klangkulisse Synonym für eine Stadt steht.

00:02:16: Herzlich willkommen Doktor Ole Lüding, Literaturwissenschaftler und Kulturhistoriker. Ganz gespannt bin ich mit dir und dieser Folge eine popmusikalische Reise durch NRW zu unternehmen.

00:02:31: Erzähl mir mal was zu dir, deinem Weg und zur Popmusik.

00:02:36: Ja, schön, dass wir uns unterhalten können. Ich freue mich, dass wir dieses Gespräch führen können. Danke für die sehr schöne Vorstellung.

00:02:44: Ich weiß gar nicht genau, wie ich in einer Kürze meinen Weg schreiben soll. Ich glaube,

00:02:50: im Kern muss man sagen, dass ich mich immer schon unglaublich intensiv für Popmusik interessiert habe und alles, was ich dann an Werdegang gegangen bin

00:02:58: immer der Versuch war nicht nur möglichst viel mich mit Popmusik beschäftigen zu dürfen, sondern

00:03:05: dann am Ende des Tages auch mein Geld und meinen Lohn mit Beschäftigung mit Popmusik zu verdienen. Beruf und Berufung. Genau, Beruf und Berufung. Ich habe

00:03:14: schon zu Schulzeiten Praktika bei Konzertveranstaltern gemacht, bin später in einer Musikpresseagentur gewesen

00:03:22: und war lange an der Universität zu Köln. Dort habe ich promoviert über die politische Popmusik in der Bundesrepublik. Ich habe danach im

00:03:31: Musikinformationszentrum gearbeitet und mich dort als Ansprechpartner für Popmusik verstanden.

00:03:38: Mittlerweile seit über zehn Jahren freier Musikjournalist in Köln, arbeite für den westdeutschen Rundfunk als Musikautor

00:03:45: in der Sendung mit der Maus zum hören und in der Sendung Maus Live schreibe für unterschiedliche Magazine, mache Podcast-Beiträge. Alles, was ich mir anbietet, wo ich was über Popmusik sagen

00:03:57: oder schreiben darf. Mit Sound of Cities hast du ein großartiges Werk geschafft,

00:04:03: erzähl mir davon. Ja, Sound of the Cities heißt es. Ähm

00:04:08: ist mein Englisch. Genau, das ist diese Betonung ,die Stadt, um klar zu machen, dass jeder einzelne Stadt aus meiner Sicht eine eigene musikalische Identität

00:04:16: hat. Ich kann so anfangen, dass wie viele gute oder nicht gute Ideen diese Idee jedenfalls entstand an einer Kölner Bartheke

00:04:25: mit meinem Freund und Kollegen Philipp Krohn.

00:04:28: Philipp Kron ist Kultur und Wirtschaftsjournalist in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und wir saßen hier in Köln in einer Kneipe und unterhielten uns wie das Pop-Fans so tun.

00:04:38: Ja, er ist ganz großer

00:04:40: Liebhaber von eher experimentellen und avangardistischen Poplegenden. Wir unterhielten uns über unsere Lieblingsmusik und Philipp sagte ja also ich muss dir ehrlich sagen, im Augenblick höre ich unglaublich viel Musik aus Chicago, die Band, die Band, die Band, die Band

00:04:53: Und dann habe ich mich aber auch eine Woche lang dabei ertappt, wie ich eine ganze Woche lang nur Musik aus New Orleans gehört habe.

00:04:59: Wie ist es denn bei dir? Und ich sagte, ja also im Augenblick, ich habe da noch gar nicht drüber nachgedacht, aber wenn du mich fragst, also die letzten zwei, drei Wochen habe ich fast nur Musik aus Stockholm gehört und davor war ich irgendwie in Wien. Und aus diesem Gespräch entstand

00:05:11: überhaupt erstmal so ein Aufmerken. Was ist denn da los? Wie kann man das denn sagen? Warum ist denn

00:05:16: Offensichtlich die Musik aus Stockholm oder Chicago oder New Orleans so interessant, dass man sich eine ganze Zeit lang mit Musik nur aus einer Stadt beschäftigen kann. Was passiert da eigentlich? Und als wir drüber nachdachten, wurde uns klar, dass ganz viele,

00:05:30: steht in irgendeiner aber auch hoch unterschiedlicher Form, ganz schnell mit Bands oder mit Sounds oder mit Musikstilen

00:05:38: verbunden werden. Wenn ich Liverpool sage, dann werden wahrscheinlich alle als allererstes sagen Beatles, genau, ich auch. Ja, wenn ich sage

00:05:48: San Francisco, dann wird man sich sofort die Augen schließen können und an Musikerinnen und Musiker mit Blumen im Haar und Hippie-Kleidern denken. Wenn ich an Berlin denke.

00:06:00: Dann sehe ich die Love Parade vor Augen und sehe viele Touristen und Musikfans aus der ganzen Welt nach Berlin streben, um Technomusik, Housemusik, elektronische Musik in allen möglichen Facetten zu hören.

00:06:11: So kamen wir ins Reflektieren, ins Nachdenken, ins wenn man's so nennen darf, Pop-up-Nerden

00:06:17: und kam auf die Idee, wir müssten eigentlich mal in diese Städte reisen und mit möglichst vielen Musikerinnen und Musikern reden, was in ihren Städten passiert. Und aus dieser Idee

00:06:26: entstand dann genau das, dass wir in vierundzwanzig

00:06:30: Musikstädte in der Welt gereist sind und dort mit vielen hundert Musikerinnen und Musikern, Bands, aber auch Labelbetreibern,

00:06:38: Clubbesitzern gesprochen haben und sie gefragt haben, beeinflusst euch eigentlich die Stadt oder beeinflusst ihr die Stadt?

00:06:45: Könnt ihr uns erklären, warum ihr so klingt, wie ihr klingt, an wen dockt ihr euch an? Welchen Einfluss hat die Stadt auf euer Musikschaffen.?

00:06:54: Das war eine, wie man sich vorstellen kann, unglaublich faszinierende Reise. Wir haben nicht jeden Teil zusammen gemacht, sondern sind in großen Teilen auch getrennt voneinander gereist. Nun stellt man sich die Frage, gibt es eine klare Antwort, was in diesen Städten passiert, gibt es nicht, sondern es gibt

00:07:09: für jede einzelne Stadt ganz unterschiedliche Faktoren, die da eine Rolle spielen.

00:07:14: Und der Sound of Urbanana ist eine Popmusikalische Entdeckungsreise durch NRW. Und die würde ich jetzt gern mit dir gemeinsam unternehmen. Wo würdest du gerne starten, im Ruhrgebiet, in Düsseldorf oder in Kölle

00:07:27: Ich glaube, wenn man

00:07:29: an die großen Namen denkt, ist es am einfachsten, in Düsseldorf zu starten, insofern können wir am Düsseldorfer Hauptbahnhof unsere Reise beginnen. Gerne, so steigen wir aus dem Zug aus,

00:07:40: finden wir in welchem Jahr? Wenn wir in Düsseldorf aus dem Zug aussteigen, dann

00:07:45: steigen wir hoffentlich an Gleis siebzehn aus. Das klingt irgendwie nach Harry Potter. Ja, so ein bisschen. Ich sage das deswegen gleich siebzehn, weil

00:07:53: siebzehn der Ort ist, an dem einer der ganz berühmten Fotoshoots mit der

00:08:00: Düsseldorfer Bandkraftwerk stattfand, als die 1977 ihr Album Trans-Europa-Express veröffentlicht haben, haben sie sich auf Gleis siebzehn ablichten

00:08:10: lassen, das heißt also sobald man in Düsseldorf ist auf Gleis siebzehn

00:08:14: einläuft. Das ist auch eins der Gleise für die internationalen Züge oder die nationalen Züge, dann ist man sofort mittendrin an einem Pop-historischen Ort.

00:08:23: Ist mittendrin in der wie

00:08:25: ich finde aufregenden Ästhetik von Kraftwerk, die ja viele Themen hat, allen voran Computer und Menschwesen und Roboter, aber als zweites großes Thema Mobilität

00:08:35: dieses Album Transpress

00:08:38: handelt eben genau von der Mobilität und den Versprechen der Mobilität, die internationale Züge, internationaler Fernverkehr, in den Versprechen, die die das ausdrückt, die Hoffnung, die das ausdrückt, auf ein vereintes

00:08:51: Europa und in dem Titelsong des Albums gibt's eben auch diese schöne Zeile aussteigen und rein in Düsseldorf City und dort trifft man Iggy Pop und David Bowie.

00:09:01: Ob das nun so ist, ist zu bezweifeln, aber es ist so eine Aufforderung mit diesem Song aus egal wo in Düsseldorf anzukommen, an Gleis siebzehn und in diese aufregende Musikstadt einzu-

00:09:11: tauchen und eben die Vielfalt auch von Kraftwerk zu entdecken, die eben auch an anderen Stellen Mobilität als aufregendes Thema hat. Autobahn, Autobahn, werden ganz zentrales Thema über die Alternativen. Ich habe nicht mit dem Zug zu fahren.

00:09:26: Ich präferiere das ja, aber man kann natürlich auch über die Autobahn nach Düsseldorf fahren. Es gibt sogar ein Album von Kraftwerk, in dem es um Fahrradfahren und die Tour de France geht, also diverse Male wird Mobilität bei ihnen thematisiert. Düsseldorf Ende der Siebziger, da denke ich auch so ein bisschen an das Creamcheese.

00:09:40: Spielt das Popmusikalisch auch eine Rolle? Das spielt in jedem Fall eine Rolle. Ist am anderen Ende der Stadt gewesen.

00:09:48: Wenn wir Düsseldorf versuchen, ein klein bisschen und in aller Kürze popmusikalisch zu erzählen, dann ist

00:09:56: das Faszinosum in Düsseldorf und das, was diese Stadt ausmacht, wie wenige andere allerhöchstens London, diese Gleichzeitigkeit von aufregender, künstlerischer

00:10:07: Entwicklung und aufregender musikalischer Entwicklung.

00:10:11: Das nimmt ungefähr Mitte Ende der 60er Jahre seinen Ausgang in dann eben auch einer Hippie-Stimmung,

00:10:20: In eben genau dem von dir erwähnten Creamcheese, der vielleicht ersten

00:10:25: Multidimensionalen Disco Deutschlands. Creamcheese ist benannt nach einem Song von Frank Zapper,

00:10:32: der diverse Songs über Susi Creamcheese hat und die Gründer dieser Disco, dieses Ladens, dieses Konzeptes, dieses Kunstortes

00:10:42: in New York gewesen waren und inspiriert waren von Frank Zapper und da sind auch die Anfänger von Kraftwerk, die zu dem Zeitpunkt noch eine Hippieband sind, Querflöte spielen, experimentieren.

00:10:52: Überhaupt keine Computer am Start haben, auch nix ernsthaftes. Der heutige Hauptkopf,

00:10:58: einzige Hauptkopf, der noch übrig ist, von Kraftwerk Ralf Hütter, steigt, um sein Studium zu beenden, zu Zeiten aus der Band aus und andere machen da vor sich hin gedüddelt. Sogar auch Fernsehauftritte. Zu diesem Zeitpunkt ist Düsseldorf ein Hippie-Stadt, in der

00:11:11: Musizieren sich verbindet sukzessive mit den Künstlerinnen und Künstlern, die da sind. Immendorf kann man ja auch nennen und viele weitere mehr. Und dann entwickelt sich das

00:11:22: eigentlich im Kern

00:11:23: wirklich erst Mitte der Siebziger in eine ganz andere Richtung. Also die Musik und die Kunst mit der Kunstakademie, dem Salon des Amateurs spielen alle eine Rolle für die Popularität von Düsseldorf.

00:11:37: Ich glaube schon, also Kraftwerk sind schon dann in Folge eine Einzigartigkeit

00:11:42: Auch immer wieder in unterschiedlichster Form an die musikalischen Szenen der Stadt angebunden, aber über kurz oder lang sind sie wie so ein UFO, das

00:11:52: noch auf dem Boden steht und dann abhebt in Sphären, den die meisten Düsseldorfer nicht folgen können.

00:11:58: Wir haben ja unsere Reise, auch wenn wir jetzt kurz mal in die Altstadt gesprungen sind, am Hauptbahnhof angefangen und wenn man am Hauptbahnhof einmal um eine Hausecke geht, dann landet man in der Mintrupstraße.

00:12:08: Und findet dort einen Hauseingang, über dem ein Schild ist, eine ehemalige Werbe-,

00:12:14: Werbebanner oder Werbeschild, da steht Elektro Müller drauf. Kann man schnell übersehen. Das ist der Ort, wo Kraftwerk ihr Studio hatten. Im Hinterhof in einem kleinen Raum und dann

00:12:24: ab Mitte der siebziger Jahre. Angefangen wirklich ikonische Musik zu machen, die eine ganz eigene Ästhetik hat und einen ganz eigenen auch Anspruch und Ziel auch humorvoll. Am Ende des Tages ist es so, dass

00:12:37: sie die Idee haben, wie wäre es denn, wenn es gelänge Musik zu machen, die so klingt, als würden Roboter oder Maschinen die Musik machen.

00:12:47: Und diese Idee immer weiterführen bis zu dem Punkt, an dem dann eben wirklich Maschinen die Musik machen und das wird dann international

00:12:57: unfassbar erfolgreich.

00:12:59: So erfolgreich, dass Kraftwerk auf Welttourneen sind und am Ende des Tages in Düsseldorf dann auch nicht mehr ärztlich stattfinden, sondern sich an anderer Stelle eine neue Szene bilden muss. Ganz im starken Gegensatz dazu, der Punk mit

00:13:13: den Toten Hosen auch aus Düsseldorf. Genau. Nimmst du die auch aufs Korn?

00:13:17: Genau, ich habe glaube ich versucht zu beschreiben, wie Kraftwerk, wie so ein UFO oder wie so ein einzigartiges Phänomen, von dem es immer mal welche gibt, fungiert haben und Düsseldorf auf die popmusikalische Weltkarte gesetzt haben.

00:13:30: Ich glaube, dass es so einzigartig, was Kraftwerk gemacht haben, dass sich

00:13:34: Einzelne Künstler durchaus trauen, sich damit zu beschäftigen, aber in Düsseldorf selber niemand ernsthaft auf die Idee gekommen wäre zu sagen, wir machen das wie Kraftwerk. Das konnte keiner.

00:13:44: Es wollte auch keiner. Es war so einzigartig, dass man schon eine eigene Idee entwickeln musste, was man für Musik machen will und dann entwickelte sich Ende der 70er Jahre plötzlich ein neuer Club. Ein ehemaliger Hippie-Club,

00:13:57: dem es nach Haschisch roch und die Wände voller Teppiche waren, wurde von Carmen Knobel, heißt sie glaube ich, übernommen

00:14:04: und in einen Punkladen gemacht. Die Billardtische wurden rausgeworfen, die Teppiche wurden rausgeworfen, die schummrige Beleuchtung wurde durch Neonlicht ersetzt und der Ratinger Hof als Punkort

00:14:15: war geboren.

00:14:16: Ein Punkort, der Düsseldorf zu einem Anziehungspunkt für diese über ganz NRW verstreuten, einzelnen frühen Punkanfänge machte und wurde, den man

00:14:27: glaube ich, ohne zu übertreiben als das bundesdeutsche CBGB

00:14:31: im Sinne von der Geburtsstätte für Punk in Deutschland bezeichnen kann. Es gibt natürlich auch in anderen Städten Punkbewegungen, unterschiedliche Facetten, aber der Ratinger Hof hat eine Riesenrolle gespielt.

00:14:44: Ein Inkubator

00:14:46: für Bands, für Genres, für Stiele, aber eben ein Ort der Freiräume und des kreativen Schaffens, der unglaublich wichtig war und dann international wirksam war und auch national viele Bands, die wir heute noch kennen.

00:15:00: Die in den 80ern von Relevanz haben, kommen entweder aus dem Umfeld des Ratinger Hofs oder haben da zumindest gespielt.

00:15:07: Die bekanntesten sind vielleicht die Fehlfarben. Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Es geht voran. So, die Tatsache, dass du sofort mitsingen kannst, mach klar, das war ein Hit.

00:15:18: Den kennen wir heute noch.

00:15:19: Und genau das ist dann auch das Ende dieses Ratinger Hofes. An irgendeinem Zeitpunkt werden einzelne der Bands erfolgreich, andere Bands werden nicht erfolgreich.

00:15:28: Manche sagen, Düsseldorf wird mir zu klein, ich gehe nach London, tschüss ihr. Manche

00:15:33: sind frustriert, weil sie es eben nicht schaffen. Dadurch kommen Konkurrenzgedanken in dieses Geschäft oder in diesen Laden oder Club, es kommen Ellbogen, hauen stechen da rein, es kommt

00:15:43: auch Neid da rein und es hält eben nicht lange. Mitte der achtziger Jahre ist dieses Ding auch schon wieder Geschichte. Aber es ist der Moment, wo sich Düsseldorf

00:15:51: neu erfindet und einen Weg findet, einen eigenen musikalisch Identität zu entwickeln und dass man nicht vergessen darf,

00:15:59: erneut Stammgäste sind diejenigen, die bis zu seiner Schließung

00:16:06: getrunken haben, nämlich die Düsseldorfer KünstlerInnen und Künstler.

00:16:10: Die gehen alle in diesen Hof. Die finden das spannend, was diese Punker machen. Und die Punker finden aber dann irgendwann auch die Künstlerinnen und Künstler spannend. Das führt selbst in diesem Ort zu einem Austausch an gegenseitigem Befruchten, das in alle Richtungen aufregend ist.

00:16:24: Und wenn man's so will, dann ist es eben eine unglaublich spannende kulturelle

00:16:30: Phase in Düsseldorf, die von Mitte eher Ende der 60er Jahre bis dann in die frühen achtziger reicht.

00:16:36: Und dann begibt sich Düsseldorf erstmal für mehrere Jahrzehnte in eine Dornröschenschlaf, um sich erst in den späten Neunzigern

00:16:45: wieder neu zu erfinden. Mit was? Mit unter anderem dem von dir angesprochenen Salon des Amateurs, einem Club, der keinerlei,

00:16:52: in dem Sinne Punk-Idee hat, aber der ganz intensiv angedockt ist, mitten im Herzen, im künstlerischen Herzen, Düsseldorfs an die Kunstakademie und an auch die Kunstmuseen

00:17:04: in Düsseldorf und ein Ort, der allen voran Platz wird für elektronische Musik,

00:17:10: für elektronische Experimente, elektronische Freigeister und Freigeisterinnen

00:17:15: und der lange gefehlt hat, der lange untergegangen war in einer Altstadt, in der es Junggesellenabschiede und Party und Feierei gibt, aber in der eben Platz für Subkulturen oder Ausprobieren

00:17:27: lange nicht da war und diesen Salon des Amateurs

00:17:30: zu einer Geburtsstätte für ganz, ganz viele erneut faszinierende Künstlerinnen und Künstler, Lena Willekens, eine der erfolgreichsten weiblichen DJs Deutschlands, die international auf Festivals gebucht wird, kommt aus dem Umfeld des Salon.

00:17:44: Wie Mouse und Mice oder Kreidler international erfolgreich, international geschätzt, gespielt. David Bowie wurde gefragt,

00:17:51: was seine Lieblingsbands sind und er hat halt immer noch die Düsseldorfer genannt, in dem Fall die Bands aus dem Umfeld des Salon.

00:17:58: Ein Pianist, der für seine Arbeiten eine Oscarnominierung

00:18:03: bekommen hat, die faszinierende Musik machen eigentlich, wenn man so will, aber wir haben Neoklassik mit Clubelementen auf einem Klavier und tausend elektronischen Geräten, sie haben das Klavier gespielt.

00:18:17: Füllen sie die größten Säle und viele weitere könnte man nennen, die aus diesem Umfeld

00:18:22: kommen und die Düsseldorf dann eben wieder auf die Landkarte gesetzt haben. Und jetzt ist es so, dass das eine Stadt ist, die unglaublich spannend musikalisch deshalb ist, weil es eben zu suchen gibt und zu finden gibt, diejenigen, die sich was ganz Neues trauen

00:18:35: Es gibt diejenigen, die sich in der Tradition der Stadt bewegen.

00:18:40: Und den bereits angesprochenen. Es gibt die Broilers beispielsweise, die eine Art von Punkrock machen und die Toten Hosen, die weiterhin Punkrock machen, die sich an die

00:18:49: Geschichte dieser Stadt andocken. Es gibt jüngere Bands durch stabile Liete oder Susanne Blech, die sich eher an Kraftwerk andocken und so weiter und so fort. Es gibt sogar Bands wie Love Machine, die fast so eine Art.

00:19:01: 60er Jahre Happy-Attitüde haben und sich dann sogar noch an die Creamcheese

00:19:05: andocken und es gibt die Innovatorinnen und Innovatoren und all das lässt sich in dieser Stadt entdecken.

00:19:11: Und deswegen ist sie ein schönes Beispiel, an der man ablesen kann, ein Phänomen, das am Ende des Tages für jede spannende Popmusikstadt gilt.

00:19:19: Dass es ein Kontinuum gibt und immer wieder Staffeltübergaben, immer wieder weitergeben. Manche, die es versuchen, ganz neu zu machen, manche, die sich in einer gewissen Traditionslinie sehen und versuchen weiterzuschreiben. Und wenn ich jetzt als

00:19:34: Musikkonsument nach Düsseldorf komme, im Hier und Jetzt, was würdest du mir empfehlen? Ich habe ja schon gesagt, ich würde dir in jedem Fall den Salon empfehlen, weil

00:19:43: Du eigentlich blind da reingehen kannst, zu welchem Termin auch immer, um dort Spannendes zu erleben. Ich werde dir den jetzigen Ratinger Hof empfehlen,

00:19:52: der nachdem er geschlossen wurde, erst eine Technodisco, dann einen nicht besonders aufregenden Rockclub enthielt und der sich jetzt seit Ende zweitausendeinundzwanzig

00:20:02: Kulturbanausen im Ratinger Hof nennt und sich eine Genossenschaft von Kulturbanausen, also Menschen, die sagen, eigentlich sind wir gar nicht

00:20:11: Expertinnen, Experten für Kultur, aber wir lieben Kultur und wir lieben Subkultur und wir sind der

00:20:16: festen Überzeugung dass diese Stadt unbedingt wieder einen Raum braucht

00:20:22: für Subkulturen für Experimente.

00:20:25: Die sich als Genossenschaft organisiert haben und diesen Club, diesen Laden jetzt betreiben mit dem expliziten

00:20:32: Erstens zu sagen, wir wollen kein Geld verdienen, sondern das muss sich zwar über die Konzerte tragen, aber es geht hier nicht um Profitinteressen und zweitens, wir wollen hier eigentlich alles möglich machen.

00:20:43: Und das machen sie auch.

00:20:45: Sie lassen Hip-Ho-Jams da möglich werden, elektronische Konzerte, genauso wie Drag-Queen Shows oder japanischen Jaypop Heavy Metal,

00:20:53: Lesungen, Ausstellungen Poetry Slams. Am Ende des Tages ist da alles möglich. Alles, was

00:21:00: einen Raum braucht, um sich zu entwickeln, um sich gegenseitig zu befruchten.

00:21:05: Und auch da sind wir aber wieder in Kerntradition der Düsseldorfer zu sagen Düsseldorf ist immer dann spannend gewesen, wenn nicht die Popmusiker

00:21:14: alleine vor sich hingewurschtelt haben und die Künstler vor sich hingewurstelt haben, sondern wenn sich Genres gemixt haben, wenn man sich gegenseitig kennengelernt hat, wenn man neugierig aufeinander war, wenn man Netzwerke gebildet hat, Projekte zusammen entwickelt hat

00:21:27: Kulturbanausen im Ortinger Hof wollen genau das wiederbeleben ohne nostalgisch zu sein, sondern.

00:21:33: Ein Ort der Begegnungen und des kreativen Austausches schaffen und solche Orte gibt es natürlich in Düsseldorf noch weitere. Das Zack und als soziokulturelles Zentrum muss da auch genannt werden als ein Ort, an dem unterschiedlichste Kultur

00:21:46: stattfinden kann und möglich ist. Wenn wir jetzt von Düsseldorf entweder nach links oder rechts fahren.

00:21:52: Ich würde am liebsten nach Köln fahren, wenn ich darf, aber ja. Wir können auch ins Ruhrgebiet fahren. Du bist der Fahrer.

00:21:58: Dann fahre ich unbedingt nach Köln, weil ich ja selber gar kein Kölner bin,

00:22:03: bin geborener Bremer, aufgewachsen in Hamburg, aber eben jetzt seit über 20 Jahren in Köln.

00:22:09: Damals eher mit dem Gedanken, ich probiere diese Stadt mal aus hierher gekommen und dann so begeistert gewesen, dass ich hier hängengeblieben bin.

00:22:16: Und deswegen mag ich natürlich gerne über Köln reden. Wo starten wir denn in Köln? Wo führst du mich hin, beziehungsweise die Hörenden?

00:22:23: Köln ist sicherlich nicht Berlin und ist schon erst recht nicht London oder New York. Also wenn man an große Musikstädte oder auch an große Kulturstädte,

00:22:30: häufig sind und ihm dann auch zu denken ist denkt, dann wäre Köln wahrscheinlich nicht unbedingt die erste Stadt, auf die man käme.

00:22:40: Und zweitens ist es aber so, dass Köln eine wie ich finde

00:22:45: unglaublich spannende, kulturelle und popmusikalische Geschichte hat, die man in unterschiedlichen Phasen

00:22:52: zählen kann, muss man vielleicht gar nicht, aber bei der oft vergessen wird,

00:22:57: was in der Vergangenheit Köln für eine aufregende Musikstadt war.

00:23:02: Diese Vergangenheit kann man und muss man kennen, um vieles dessen, was heute passiert, verstehen zu können.

00:23:10: Und auch sehen zu können, in welche Richtung Köln sich im Augenblick in so eine Art Übergangsphase kann man wahrscheinlich sogar sagen, gerade versucht auch wieder zu entwickeln.

00:23:19: Köln war über die Jahrzehnte immer eine eine wirklich faszinierende

00:23:25: Musikstadt. In den fünfziger Jahren relativ schnell nach dem zweiten Weltkrieg schon hat es sich zu einer Hochburg für Jazz und allen voran improvisierte

00:23:35: Jazzmusik, entwickelt,

00:23:38: hatte man dann mit Stockhausen und dem WDR auch avangardistische neue Musik, früher Elektroakustische Musik und ähnliches.

00:23:46: Und es war eine Kunststadt, eine bis heute weltweit renommierte Galerienszene.

00:23:51: Auch natürlich die Art Cologne und vieles weitere mehr, auch eine Fotostadt,

00:23:54: auch wieder eine Stadt, in der sich diese jeweils unterschiedliche Kunstformen und Genres gegenseitig befruchten. Und

00:24:01: auf dieser Basis im Kern eben einer improvisierenden Jazzszene, einer mutigen Avangardszene entwickelt sich Köln

00:24:09: in den 70ern und vor allem in den 80er Jahren zu der unbestrittenen Popmusikhauptstadt der Bundesrepublik, was heute viele vergessen haben. Heute denkt man, es war schon immer Berlin

00:24:19: oder vielleicht auch mal Hamburg, da ist ja Udo Lindenberg her. Aber am Ende des Tages war über zwei Jahrzehnte, wenn man so will

00:24:26: Köln, die Musikstadt Deutschlands.

00:24:30: Hier war nicht nur eine der aufregendsten Bands, die

00:24:35: eine eigene Art von deutscher Rockmusik entwickelt hat, nämlich Can.

00:24:40: Mit dieser Art von Musik sogar in den Charts waren.

00:24:43: Mit dieser Art die Kölner Sporthalle ausverkauften.

00:24:47: Damit im Kern so sind durch viele Musikhistorikerinnen und Musikhistoriker einig den Startpunkt für eine eigenständige deutsche Rockmusikkultur geliefert haben. Köln ist auch eine Medienststadt gewesen, der WDR war hier.

00:25:00: Der BFBS war hier später auch das Privatfernsehen RTL und dann Musikfernsender VIVA.

00:25:08: Diese Sender wiederum führen dazu, dass legendäre Konzerte in der ganzen Welt wahrgenommen werden, wie zum Beispiel das Can-Konzert, aber wir allen voran das Köln-Konzert von eben in Köln stattfinden und mit WDR-Unterstützung, auch das

00:25:22: berühmte Wolf-Biermann-Konzert, das zu seiner Ausbürgerung geführt hat, hat in Köln stattgefunden und viele weitere Konzerte mehr.

00:25:29: Köln ist eine Presse- und Medienststadt. Hier sind Musikmagazine wie die Spex, die erklärt, was Trend ist und was nicht Trend ist und anderen Magazine. Hier sind

00:25:37: die wichtigsten Tonträgerfirmen des Landes, die mittlerweile nicht mehr existente Amy sitzen in Köln.

00:25:42: Saturn hat hier den größten Schallplatten- und CD-Laden Deutschlands. Wer da in der Auslage liegt,

00:25:49: ist in jedem Fall Star in Deutschland.

00:25:51: Hat die besten Studios.

00:25:53: Und all das führt über eine ganze Zeit lang dazu. Festivals. Festivals auch, genau. All das führt dazu, dass im Kern

00:26:02: zum einen Bands, Musikerinnen und Musiker aus Köln, die Charts erobern, sind das prominenteste Beispiel, aber in gesammelten 80er Jahren sind es entweder

00:26:13: Kölnerinnen und Kölner oder Menschen, die hier leben oder Menschen, die hierher kommen, um hier aufzunehmen, die die Charts dominieren. Herbert Grönemeyers allen bekanntes Hauptwerk Bochum

00:26:25: wo Männer drauf ist und Bochum und Alkohol und ganz viele seiner Hits ist in Köln aufgenommen. Wolf Biermann

00:26:32: arbeitet hier in Köln. Ina Deta arbeitet hier in Köln. Purple Schulz arbeitet hier in Köln. Also viele der Künstlerinnen und Künstler aus den achtziger Jahren

00:26:40: hier in Köln,

00:26:41: nehmen hier in den Studios auf oder nehmen bei Conny Plank auf,

00:26:45: einem der ikonischen Produzenten der deutschen Musikgeschichte.

00:26:49: Ist derjenige, der Kraftwerk mitteilt, dass sie mal aufhören sollen

00:26:54: Hippie-Musik zu machen und lieber über die Autobahn elektronische Musik machen sollen, er produziert das Durchbruchskraftwerkalbum. Connie Plank arbeitet mit unterschiedlichsten Künstlerinnen und Künstlern zusammen, mit

00:27:06: den US Mix genauso wie er mit Heinz Rudolf Kunze, Dein ist mein ganzes Herz aufnimmt.

00:27:12: All das macht Köln zu der aufregendsten Musikstadt Deutschlands und zum Musikindustrie- und Musikpressezentrum Deutschlands. Die ganzen 80er Jahre und bis weit in die neunziger Jahre hindurch.

00:27:23: Und erst dann bricht es hier zusammen. Dann haben wir die Wende, die aber dann wiederum auch interessante Entwicklungen

00:27:23:

00:27:32: gezeitigt hat. Aber man muss sich eben klar machen,

00:27:35: was hier passiert ist, denn im Kern mit einer gewissen Latenz schon relativ kurz nach der Wende, aber dann vor allem in den frühen zweitausendern. Hier geht alles weg und die Stadtgesellschaft zuckt mit den Schultern. Alle gehen sie weg

00:27:48: Labels wie Karaoke Kalk benannt nach dem Stadtteil Kalk, eins der großen innovativen Labels geht nach Berlin. Die Emi geht nach Berlin.

00:27:58: Viva, der Musikfernsehsender VIVA 2 gehen nach Berlin. Die große Branchenmesse Popcom geht nach Berlin.

00:28:05: Geht nach Berlin. Also die große Musikzeitschrift. Alle gehen sie nach Berlin.

00:28:11: Und viele viele Künstlerinnen und Künstler folgen. Wir haben hier wirklich eine Art von

00:28:17: Ja Brain Rain oder auch wegfließen der Creative Industries in vielen, vielen Branchen, die zu einer absoluten kulturellen Einöde in den Film 2000ern führen.

00:28:30: Und kulturelle Einöde.

00:28:33: Das haben wir vorhin ja auch ausführlich besprochen, kann dazu führen, dass sich Freiräume entwickeln und dass sich neue Ideen entwickeln. Wer in den frühen Zweitausendern

00:28:43: irgendwie kreativ sein will und irgendwie Interesse hat, was Kreatives zu machen und nicht nach Berlin, sondern nach Köln geht, der hat erstens eine Macke und zweitens macht er das bewusst.

00:28:53: Dann ist es eine Entscheidung gegen Berlin oder gegen Hamburg. Es ist eine ganz bewusste Entscheidung zu sagen, ich gehe nach Köln.

00:29:00: Da nichts festgefahren ist, weil da nichts ist, weil ich was Neues entwickeln will. Und Anfang der zweitausender kommen mir Künstlerinnen und Künstler, Bands, aber auch Macher hin und arbeiten hier, die versuchen

00:29:12: Beim Ground Zero wenn ich sie nennen darf, etwas Neues aus dem Boden zu stampfen. Ein Beispiel wäre die Anfang 2023 ihr 20-jähriges feiernde c/o Pop,

00:29:21: also das wahrscheinlich aufregendste elektronische anfänglich und mittlerweile Musikstile übergreifenden Musikfestival, das wir hier in Köln haben.

00:29:31: Vorbildhaft ist heutzutage.

00:29:34: Was Gender-Equality angeht, was Awareness angeht, was ökologische und soziale Nachhaltigkeit angeht.

00:29:41: Sich positioniert als ein Festival, das zeigen will, dass marginalisierte Gruppen

00:29:47: jeglicher Art stattfinden und da sind, aber nicht sichtbar werden und versucht

00:29:52: diesen Gruppen Sichtbarkeit zu schaffen. Das entwickelt sich genau in dieser Lehrphase und das, was dann der Indie-Pop der Kölner zweitausender wird, mit den sogenannten Bands Erdmöbel, Peter Licht,

00:30:03: Wenn ich nicht hier bin, bin ich aufm Sonnendeck und wenn ich dich zwei Fragen fragen würde, wäre das, woran glaubst du, wofür stehst du?

00:30:11: Auch andere Bands, die entwickeln sich genau in dieser Lehrphase der frühen Zweitausender

00:30:16: und es entwickelt sich eine ganz spezielle und international gefeierte Form von elektronischer Musik, der Kölner Minimal Techno. Techno, der explizit auf dem Revers stehen hat:

00:30:27: Wir wollen Techno sein, der nicht wie Berlin klingt. Sound of Cologne. Und das ist das, was dann eben international auch als der Sound of Cologne verstanden wird. Eine Art von elektronischer Technomusik, die

00:30:38: total reduziert ist, die fast nur auf Beats und auf

00:30:41: und knickern und knistern setzt und ganz weit entfernt ist von diesem extatischen Hände in die Luft Hüpf Techno, den man aus Berlin oder den Bildern von der Love Parade kennt,

00:30:51: sondern der eine ganz eigene Art von Ästhetik hat. In meiner Einleitung habe ich ja schon auf das HallmackenRreuter angespielt. Das ist sicherlich ein Ort gewesen, den ich ganz intensiv besucht habe

00:31:03: Vielleicht magst du was zum Hall-Marken Reuter erzählen und welche Plätze in Köln heute

00:31:09: auch ganz wichtig sind, wenn man eine popmusikalische Reise unternimmt. Ja, schön, dass du das Hallmakenreuter jetzt genau an dieser Stelle ansprichst. Ich habe, glaube ich, sehr deutlich gemacht, meine Einschätzung der Dinge, dass das Aufregende an Städten, das

00:31:24: zusammenkommen von Menschen ist und

00:31:27: dass ich fest davon überzeugt bin, dass eben genau dieses Aufeinandertreffen von Menschen unterschiedlichster Herkünfte, Biografien et cetera am Ende des Tages

00:31:37: die Ursuppe sind für spannende Kreativität. Und das Hallmakenreuter, das du ansprichst, ein Café, eine Bar, ein Club, ein Ausstellungsort, auch einer von den vielen Orten, die eben nicht eine Sache sind.

00:31:50: Vieles sein wollen, befindet sich am Brüsseler Platz im Hipster Herzen, wenn ich so nennen darf, Kölns. Der Brüsseler Platz, schon seit langer Zeit einer der beliebtesten, aber auch umstrittensten Plätze in Köln.

00:32:03: Umstrittestens deshalb, weil in eigentlich jeder.

00:32:06: lauen Sommernacht sich mehrere tausend Menschen dort auf diesem Platz versammeln, um ein Kiosk Bier oder mehrere zu trinken, zu quatschen, sich auszutauschen

00:32:15: Auch kreative Pläne zu schmieden, aufeinander zu treffen und gleichzeitig wenn in einem relativ kompakten

00:32:20: innenstädtischen Platz mehrere tausend Leute sich treffen, dann werden die Anwohner komplett wahnsinnig und die Stadt versucht seit Jahren in unterschiedlichsten Facetten diesem Lautstärkeproblem Herr zu werden. Ein umstrittener Platz, aber eben ein kreativer Platz und das ist die

00:32:36: Kehrseite in den neunziger Jahren.

00:32:38: Und das, was wir gerade ansprachen in Sound of Cologne, sprich die spezifische oder besondere Kölner Art von elektronischer Musik hat genau auch hier seinen Ursprung und sie ist ein wunderbares Beispiel, finde ich dafür

00:32:50: wie so ein Zusammentreffen an unterschiedlichen Orten und Formen vor allem

00:32:56: funktioniert und stattfindet und so entwickelt sich plötzlich ein Schallplatten und Kassetten und Tapeladen, an dem die unterschiedlichsten, verrücktesten Künstler und Künstlerinnen ihre Musik anbieten.

00:33:07: Das passiert an ein, zwei Stellen direkt da an dem Brüsseler Platz.

00:33:11: Und so entwickelt sich eine Szene, so werden dann Leute auch nach Köln gezogen, die davon erfahren oder gibt es aber Leute, die sind spannend oder gibt es sogar ein Label, das heißt Amusik

00:33:19: Die machen diese ganz besonderen Sachen. Die sind eben genau einer von diesen eigentlich Schallplattensammlungen, die dann irgendwann mal die Tür geöffnet wurde und dann gibt's noch ein anderes Label, die heißen Kompakt.

00:33:30: Die waren irgendwie mal mit den Frankfurtern verbunden. Also wenn ich so ein bisschen mehr Tanzflächenmusik mag, dann könnte ich mich an die wenden und dann gibt's noch eins und noch eins und noch eins und ich kenne da auch schon wen und so wächst dann aus dem Nichts plötzlich innerhalb

00:33:45: Kölns das zusammen, was sowieso schon da ist und von außen kommen Leute, die ähnliche Sachen machen dazu und die suchen sich natürlich, wenn der Laden zu ist und wenn man abends ein Bierchen trinken will oder wenn man auftreten will, ihre eigenen Plätze und ganz schnell.

00:33:59: Sucht sich auch jeder Attraktion oder jede Art von Subszene, die einen die eben experimenteller sind, die anderen, die enger mit der Kunsthochschule verbunden sind, die Dritten, die eher witzige Sachen machen wollen, sucht sich sein eigenes Plätzchen.

00:34:13: Das Heimaten Reuter ist einer, der Plätzchen, wo sich eine der zentralen Coups oder Gruppen aus dieser Zeit versammelt hat, nämlich Whirlpool Productions, um Hans Niesland beispielsweise und Eric Dick Clark.

00:34:26: Und Whirlpool Productions, eine der

00:34:30: Ja, ich muss es Crews nennen, weil alles andere nicht so richtig präzise ist, die also als einzelne DJs und Clubs auflegen, aber auch mal gemeinsam, die mit dem

00:34:39: Stück kann man sagen. Song möchte ich nicht sagen. From Disco to Disco sogar einen riesen Hit haben und die gerade in diesem Jahr auch den

00:34:48: Holger Schukai Preis der Stadt Köln, den Ehrenpreis für ihr Gesamtwerk erhalten haben, also jetzt auch von der Stadt

00:34:56: anerkannt werden. Die die treffen sich im Whirlpool und im nächsten Club um die Ecke trifft sich die Crew und dann geht man immer abends zu denen oder bei denen oder die machen eine Veranstaltung und dann treffen sich alle da und dann sieht man dahin weiter

00:35:06: und dann ist da die Musikzeitschrift Spex und die hat aber auch ihren Stammort.

00:35:12: Und äh wenn ich also jetzt was Neues veröffentlichen will, dann gehe ich mal an den Stammort und da treffe ich die Redakteurin, Redakteurin gleich meine Kassette direkt auf den Tisch legen.

00:35:20: Beschreibe das so ein bisschen flapsig, aber nur deshalb, weil ich versuche anschaulich zu machen,

00:35:26: dass so ein Platz ist ein Platz. Aber das Aufeinandertreffen von den Leuten und das Suchen der Leute von den Orten, an denen sie sich heimisch oder wohl fühlen und

00:35:35: dann wieder das Besuchen nahezu von den Leuten eine Hausecke weiter oder zwei Häuserecken weiter. Das gegenseitige kennenlernen, das Austauschen. Das führt zu so einer Art von kreativer Explosion.

00:35:47: Und das ist genau an diesem Brüsseler Platz in den 90er Jahren passiert und davon

00:35:54: zehrt dieser Platz auch immer noch. Allen voran das Hallmakenreuter, das über Jahre und über dann jetzt ja auch schon Jahrzehnte,

00:36:01: obwohl es auch eine Zeit lang geschlossen war, immer wieder auch ein Ort war, wo

00:36:07: junge Bands auftreten konnten, sich sichtbar machen konnten auf der Historie dieses Ladens andocken konnten und sagen konnten, wir spielen im Reuter, wir müssen eine gute Band sein.

00:36:17: Guck mal, wir spielen heute vor der kompletten Presse Kölns. Kommt bitte her und guckt euch das an.

00:36:22: Und dann spielen da eben aufregende Bands und haben unter anderem, nicht natürlich ausschließlich, aber unter anderem da ihren Durchbruch.

00:36:30: Ein Beispiel und wie eng die ganze Kölner Szene miteinander verknüpft ist, sieht man dann wiederum an der Stelle, dass der ehemalige Bassist in den Frühbesetzung von BAP, der

00:36:40: Besitzer des Hallmakenreuter ist und sich da dann eben an vielen Stellen auch Kreise schließen. Weißt du welche

00:36:45: Stelle ich in Köln auch immer heiß und innig geliebt habe, den Stadtgarten mit seinem Studio sechs sieben zwei. Ja, genau. Yes. Nach 20 Jahren. Genau

00:36:57: Genau, ist die Postleitzahl, ne, sechs, sieben zwei. Guck mal jetzt, 20 Jahre später. Jetzt habe ich die Brücke. Ja. Ja, den Stadtgarten liebe ich auch sehr. Ist auch einer der Orte ein bisschen.

00:37:08: Höherklassiger vielleicht als andere, also es ist kein abgewrackter Punkladen oder einen einen dreckig schwitziger Rockladen, sondern ein

00:37:17: an einem kleinen Park, an dem sich unglaublich viel der Kölner Geschichte, Musikgeschichte, allen voran und aber auch der Kölner Gegenwart aberzählen lässt oder erzählen lässt. Wenn ich, was ich ab und an mache,

00:37:31: paar musikalische Führungen durch Köln mache, dann starte ich immer am Stadtgarten und was ich sage ist, eigentlich können wir auch hier bleiben, müssen gar nicht gehen, weil ich kann alles, was ich euch erzählen will, auch hier im Stadtgarten

00:37:42: erzählen. Das meiste habe ich jetzt ja auch in unserem Gespräch schon erzählt, dass Köln eine spannende Jazzstadt war. Der Stadtgarten

00:37:50: ist ein spannender Jazz-Klub und ist durch städtische und Landesförderung mittlerweile ein europäisches Spitzenzentrum für Jazz und neue Musik. Ich habe erzählt, davon wie der Sound of Cologne

00:38:01: die elektronische Musik Köln spannend gemacht hat. Und der erste und wichtigste Auftrittsort für diese Bands war damals der Stadtgarten.

00:38:09: Ich habe aber auch davor erzählt von der Phase in der Köln, überhaupt zu einer Popstadt wurde.

00:38:14: In der Phase dieser Popstadt kam aus einer im Kern Bürgerinitiative der Stadtgarten auch als eine Gründung Mitte der 80er überhaupt an den Start. Um zu denken wir brauchen einen Ort für aufregende Kunst, weil Köln wird jetzt die Popmusikstadt

00:38:28: Deutschlands. Ich habe von der CO Pop erzählt, die in der Brachlandschaft der zweitausender sich neu erfand. Wo war das Zentrum der, als sie sich gründete: der Stadtgarten.

00:38:38: Also es stimmt schon, glaube ich, dass meine gesamte Kölner Popgeschichte am

00:38:42: Stadtgarten erzählen kann und wenn man in die Gegenwart guckt des Stadtgartens oder wenn die Gegenwart Kölns guckt, dann kann man sehen, dass sowohl

00:38:52: in der Stadtgesellschaft selber als auch und allen voran in der Kulturpolitik seit geraumer Zeit eine Wahrnehmungsänderung stattfindet, dass die Kulturpolitik dieser Stadt anfängt zu begreifen, was für eine

00:39:04: unfassbar reichhaltige, vielfältige, aufregende und eben auch historisch relevante Popkultur diese Stadt hat.

00:39:11: Und sich in wie ich finde hoch interessanter und auch an vielen Stellen vorbildhafter Weise versucht dem zu nähern und das auch zu befördern.

00:39:21: Dass der Stadtgarden eine Förderung kriegt als

00:39:24: europäisches Jazzzentrum ist Teil dessen, dass die COpop öffentlich gefördert wird, ist Teil dessen, dass es seit jetzt drei Jahren meine ich in,

00:39:33: von der Stadt vergebenen Holger Zuckerpreis für Populärmusik der Stadt Köln gibt, in dem die Helden auch Heldinnen der Gegenwart und Vergangenheit geehrt werden,

00:39:42: ist Teil dessen, dass man versucht in Zukunft das lange völlig vernachlässigte Studio von Stockhausen

00:39:52: wieder aufzubauen, benutzbar zu machen an neuem Standort mitten in Ehrenfeld, ist eben auch nicht archivarisch.

00:40:00: Historisch in eine Glasform zu klemmen, sondern in den Gebrauch von jungen Künstlerinnen und Künstlern zu bringen, ist Teil dessen und

00:40:09: eben auch Teil dessen ist, dass es das Studio sechs sieben zwei, da werde ich jetzt rund in meinem langen Vortrag, nicht mehr gibt,

00:40:16: sondern das Studio sechs sieben zwei jetzt oder JAKI oder Jacky, Frage wie man's ausspricht nämlich nach dem Schlagzeuger von den großen Urhelden

00:40:27: der Kölner Rockgeschichte kennen, sowie Kraftwerk die Urhelden Düsseldorf sind, sind Can die Helden Kölns.

00:40:34: Und das Studio sechs sieben zwei ist nach dem Schlagzeuge benannt.

00:40:38: Der Kölner Poppreis, nach dem Bassisten, Holger Schukhai, insofern wird auch diese Band sukzessive in der Stadt sichtbar geschätzt. Weißt du, welchen Ort ich in Köln auch sehr schätze. Das Luxor.

00:40:50: Du fängst an zu grinsen, du magst es auch? Ja, genau, also es gibt viele interessante Clubs in

00:40:58: Köln, ich kann das nicht statistisch belegen, aber immer mal wieder wird gesagt, dass die Clubdichte in Köln außergewöhnlich hoch, wenn nicht deutschlandweit einmalig wäre.

00:41:09: Ich weiß nicht, ob das statistisch belegbar ist, aber man kann schon den Eindruck bekommen, dass es hier besonders viele interessante Clubs gibt.

00:41:16: Einer von den vielen aufregenden Clubs in Köln ist das Luxor, das 2022 sein 40-jähriges Bestehen feiert.

00:41:23: Eingerechnet, dass es sich zwischendurch auch mal Prime Club genannt hat. Das wird dann mitgezählt

00:41:29: Das ist im Herzen des Quartier Latin, das wenn man so will, Studierendenviertel Kölns geht immer durch die Presse, wenn hier

00:41:39: Karneval ist, dass dann die allergrößten karnevalistischen Exzesse an der Zülpicher Straße stattfinden und das Luxor liegt in einer Parallelstraße dazu,

00:41:48: finde immer, dass das eines der Livemusikherzen dieser Stadt ist, denn an dieser Ecke ist nicht nur das Luxus, was so einem ungefähr 500 Zuschauern

00:41:58: ist, von der Kapazität, sondern ist auch das Blue Shell, was viel kleiner ist und dann das noch kleiner ist. Und in der Nähe sind noch diverse weitere Auftrittsorte in Clubs. Interessanterweise ist es so, dass das zum Ausgehen

00:42:11: ein fantastischer Ort ist und das Luxor für Jahrzehnte schon als ein hervorragender Ort für Livemusik.

00:42:18: gilt und um den sich natürlich auch endlose Anekdoten

00:42:22: drehen. Oh, erzähl mir eine bitte. Ja, also vor allem gibt es eben viele Konzerte, die da stattgefunden haben im kleinsten Rahmen, wo dann glücklich war,

00:42:31: dabei war aber es gibt auch Fälle und Erzählungen, dass Joe Cocer da nicht reingelassen wurde, weil er zu abgewrackt aussah oder sind dann immer diese nicht verifizierbaren

00:42:42: Anekdötchen, die sich so um Clubs ranken. Es gibt ganz schöne auch Publikationen über die Kölner Clubs, in denen man vieles davon nachlesen kann. Worauf ich eigentlich hinaus will ist, dass diese ganze Ecke

00:42:53: ein Ort ist für Konzerte, aber interessanterweise an keiner Stelle, so scheint es mir zumindest, einen Ort für das kreative Schaffen geworden ist.

00:43:02: Da habe ich oft drüber nachgedacht, auch weil ich lange in der Ecke gewohnt habe, dass eben dann doch nicht jeder Ort, an dem man sich dauernd trifft und wo es viele Bars und Theken gibt und wo man vielleicht auch bezahlbar wohnen kann und da konnte man sogar jetzt noch, kann man halbwegs

00:43:16: Wohnen, weil eben alles so laut und alles so Karneval exzessiv, dass die Mieten eben auch nicht innen städtisch exzessivst

00:43:23: sind, das reicht aber offensichtlich dann doch auch nicht, um Szenen entstehen zu lassen, sondern dafür braucht es irgendwelche Faktoren, die dann am Ende

00:43:30: noch durch Magie zu erklären sind und nicht mehr durch räumliche Begebenheiten oder das Vorhandensein von Orten oder

00:43:38: Anzahl von Künstlerinnen und Künstlern. Das ist also ein Ort, der vor allem zum Konsumieren und Erleben von Musik

00:43:46: einfach herausragend ist und da ist das Luxus sicherlich einer der spannendsten Orte. Zum Experimentieren müsste man wahrscheinlich eher nach Ehrenfeld reisen oder ins Underground und Life Music Hall und genau, Ehrenfeld ist ein Stadtteil der

00:43:59: deshalb interessant ist, weil er brizelt. Und er brizelt deshalb, weil er einen weiteren, interessanten Faktor für kreatives Schaffen geradezu symbolisch ausdrückt, nämlich auch die Reibung.

00:44:12: Wenn alles

00:44:13: allzu einfach und allzu harmonisch ist, dann fehlen die Wut, dann fehlt der Ansporn, andere zu übertrumpfen, der natürlich für kreative Höchstleistungen auch notwendig ist, wir

00:44:25: sprachen über die COP Pop, die unter anderem genau deshalb nach Ehrenfeld gezogen ist und dass die Innenstadt rund um den Stadtgarten verlassen hat und gesagt hat, diese Ecke

00:44:35: noch viel intensiver gentrifiziert. Hier finden wir keine Möglichkeiten mehr, um unsere Veranstaltung zu machen. Wir geben das hier auf. Wir gehen nach Ehrenfeld, da glauben wir noch Räume zu finden und da glauben wir auch gegenseitig

00:44:47: selbst inspiriert zu werden von dem kulturellen Treiben, das da stattfindet.

00:44:51: Und ich finde es schon hoch faszinierend, wenn ich mir angucke, was die Pop und auch angeschlossene Veranstaltungen wie die Cologne Music Week oder Ähnliches, was da auf den Bühnen zu erleben ist, man möge mir das verzeihen, wenn ich nicht an jeder Stelle

00:45:06: den präzisesten Ausdruck finde, aber das sind People of Color, männlicher, weiblicher oder diverser Natur, die da auf der Bühne sind, die lange schon in Köln arbeiten, aber die man nie auf der Bühne sehen konnte

00:45:18: Queere, KünstlerInnen.

00:45:21: ternchen, Künstlerinnen, aber auch ganz klassisch weibliche Bands oder männliche Bands oder diverse Bands oder Transbands jeglicher Natur, die da

00:45:32: schon länger arbeiten, die sich offensichtlich da in,

00:45:35: in ihren jeweiligen eigenen kleinen Nischen zunächst in ihren vielleicht eigenen Clubs, ihren eigenen Bars, ihren eigenen Proberäumen und oder Treffpunkten in ihren Safe Spaces, wenn es sie denn gibt, entwickelt haben und jetzt dadurch, dass die COPop

00:45:50: als großes städtisches Festival auftaucht, plötzlich da auf die großen Bühnen kommen und einen unglaublichen Zuspruch auch erleben.

00:45:57: Und dann die Konzerte ausverkauft sind oder die Leute bis auf die Straßen stehen in den vielen ja auch immer noch existenten Clubs in Ehrenfeld.

00:46:06: Club Bahnhof Ehrenfeld wäre zum Beispiel einer, der eben ein bisschen elektronischer orientiert ist als das Underground, aber der immer noch da stattfindet oder der da der ist, das die Live Music Hall hast du angesprochen

00:46:18: Es gibt Buhmann und Sohn, das gegenüber ist vom Club Bahnhof Ehrenfeld, es gibt aber auch das Artheater immer noch, auch wieder gefährdet der Erhalt, muss man gucken. Das Artheater hat das im

00:46:29: auch für elektronische Partys, Konzerte genauso wie für Theater, Performance oder sonst was, gebucht wird und viele weitere dieser Orte

00:46:36: sodass ich schon sagen kann, dass es mich sehr beeindruckt, wie dann eben auch so ein Umzug von so einem Festival.

00:46:44: Dass wenn ihr mehrere Bestandteile habt und nicht nur punktuell ein Festival ist, sondern über ein ganzes Jahr lang wirksam ist in unterschiedlichsten Veranstaltungen. Wie das wie so eine Art Katalysator

00:46:53: dienen kann, aber eben auch nur als Katalysator, der dann sichtbar macht, was aber eben im nicht sichtbaren Untergrund schon seit ganz geraumer Zeit

00:47:02: schwelt oder sich entwickelt und eigentlich nur auf die Explosion wartet. Und jetzt lässt sich im Augenblick, glaube ich, keine Prognose anstellen, wie es mit Köln weitergeht, aber was ich in den letzten

00:47:13: drei Jahren und das waren Coronazeiten zu großen Teilen. Schon an neuen Impulsen und neuen Künstlerinnen, Künstlern in Köln erlebt habe,

00:47:21: ganz großes hoffen, dass wir jetzt auf ein paar unglaublich spannende musikalische Jahre hinausgehen. So langsam fahren wir mal Richtung Ruhrgebiet

00:47:29: Würde vielleicht anfangen in Hagen,

00:47:32: Hast du bestimmt mit gerechnet oder? Nee, habe ich nicht. Ich würde auch gerne, auch wenn das ein bisschen ungerecht ist, das Ruhrgebiet

00:47:40: so ein bisschen in Gesamtheit erzählen, weil das Ruhrgebiet mit wenigen wenigen Ausnahmen,

00:47:48: nicht mit dem großen Popmetropolen der Welt und auch nicht mit den großen Popstädten Deutschlands mithalten kann, sondern es gibt immer wieder punktuelle Momente, wo einzelne Städte im Ruhrgebiet besonders spannend werden,

00:48:00: die dann aber auch selten mehr als

00:48:04: eine Handvoll Jahren anhält. Das Ruhrgebiet ist an der Stelle erstmal ein Beispiel für

00:48:12: das Phänomen, das natürlich nicht alles, was kreativ spannend ist und nicht jede Szene, die sich entwickelt, nur in den großen Städten stattfindet, sondern genauso gut auch in kleineren Orten stattfinden kann oder sich entwickeln kann

00:48:24: solange eben eine gewisse kritische Masse von kreativen Zusammenkommt.

00:48:29: Und gleichzeitig ist es aber eben auch ein Beispiel dafür für viele andere Mittelstädte oder Regionen, dass

00:48:36: am Ende die Musikindustrielle Infrastruktur nicht ausreichend ist, um eine nachhaltige pop-kulturelle Struktur

00:48:45: dauerhaft zu schaffen, sondern das können dann eben im Kern nur in die Metropolen.

00:48:50: Dem Hintergrund dessen, was ich gesagt habe, ist klar, dass das Ruhrgebiet aus unterschiedlichsten Gründen eine unglaublich faszinierende Region ist, weil es eine Region ist, die

00:49:00: im permanenten Wandel ist. Wir reden heute von Strukturwandel, aber Strukturwandel ist eben seit vielen Jahrzehnten und das Sterben der Kohle und Stahlindustrie ist schon eigentlich kurz nach dem 2. Weltkrieg gestartet.

00:49:13: Und seitdem befindet man sich in einem Strukturwandel und seitdem versucht man neue Perspektiven für die Menschen zu schaffen, sich neu zu erfinden und es dann immer wieder mit Situationen Stichwort Autoindustrie konfrontiert

00:49:28: Industrien doch wieder wegbrechen und doch wieder neue Art von Strukturwandel und neue Art von Veränderung notwendig ist. Ich bin nun nicht ausreichend Ruhrpottler, um

00:49:38: die Auswirkung auf die Mentalität schildern zu können. Ich glaube aber, dass eben all das auch eine Art von gemeinschaftlicher Identität, gemeinschaftlicher Mentalität, Haltung, Kommunikationsweise,

00:49:51: Lebensweise herausgebildet hat, auch natürlich auf Basis der unterschiedlichsten Bevölkerungszusammensetzung in dieser Region.

00:50:00: sich sagen kann, ist eben, dass es immer wieder unterschiedliche Zeiten und Orte gibt, die dann sich im Ruhrgebiet als popmusikalisch aufregend,

00:50:09: wenn man so will, auf den Thron setzen und dann von einer anderen Stadt oder einer anderen Region im Ruhrgebiet wieder abgelöst werden. Von den fünfziger, 60er Jahren, wo allen voran Duisburg Ruhrort ein aufregender Kulturort ist.

00:50:23: Wegen des Hafens? Wegen des Hafens, wegen auch da der

00:50:27: internationalen Anbindungen oder engen Anbindungen dann auch an Benelux-Wägen, aber auch lokalen Stars wie Ralf Bendicks, die Duisburg auf die Landkarte oder auf die Sichtbarkeit setzen. Ganz besonders interessant finde ich

00:50:39: persönlich Essen in den in den 60er Jahren und all das, was rund um die Grugahalle stattfindet, wo die Beatles auftreten, wo Bill Haley davor auftritt und wo vor allem sich im Kontext mit den Essener Song-Tagen, wie man sie

00:50:54: verkürzt nennt, im Kern die nationale, aber auch internationale, politische Musikszene versammelt, gegenseitig beeinflusst, inspiriert und Essen zu einem

00:51:06: Politischen Musikzentrum werden lässt und später dann lange Jahre auch 'ne weiterhin aufregende Livemusikstadt bleibt, dadurch dass der WDR-Rockpalast aus Essen raus in die ganze Welt

00:51:18: Konzerte mit Weltstars sendet. Du hast Hagen angesprochen, das in den späten 70ern und frühen 80ern sich entwickelt zu einem

00:51:28: Hotspot kann man sagen, der Norddeutschen Welle. Hier wird Nena in einer Disco beim Tanzen entdeckt. Hier wachsen die Humpeschwestern auf, die dann

00:51:37: dass es wieder prototypisch, aber erst genau wie Nena in Berlin zu Stars werden.

00:51:42: man kann das gerne alles mit Hagen verbinden, aber Nena geht nach Berlin und wird da zum Star die Humpeschwestern gehen nach Berlin und werden da mit Ideal Stars oder dann jetzt heutzutage mit ich und ich und Zweiraumwohnung.

00:51:54: Extrabereit sind in Hagen und insofern ist das eine eine spannende NDW-Stadt, auch wieder so eine Art von früher, Schmelztigel, der dann aber sofort in die großen Metropole muss, um

00:52:05: im Kern wirklich erfolgreich zu sein. Man kann abweichende oder vergleichbare Geschichten an vielen anderen Orten im Ruhrgebiet erzählen. Ich finde beispielsweise

00:52:15: Bochum auch gerade in den 80er Jahren eine unglaublich spannende Stadt, eine Stadt, die eben auch massiv

00:52:22: immer mit dem Strukturwandel zu kämpfen hat und die ich deshalb besonders spannend finde, weil wir da eben wieder dieses produktive oder kreative Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kunstformen haben

00:52:32: mit dem hoch renommierten achtziger Jahren, wo auch immer Schauspielhaus, das vielfach eben als das beste Schauspieler Deutschlands, wenn nicht Europas bezeichnet wird,

00:52:42: an dem ein Musiker, der eigentlich gar nicht aus Bochum kommt, anfängt, erstmal

00:52:47: mitzuarbeiten in der musikalischen Gestaltung von Musikstücken, dann musikalischer Leiter des Schauspielhauses wird, der versucht, auch ab und an mal schauspielerisch tätig zu werden. Im Jahr 1981

00:52:59: in einem großen Kinofilm Namens das Boot mitspielt,

00:53:03: Schallplatten aufnimmt, die floppt und plötzlich dann 1984 mit Bochum als Herbert Grönemeyer zum wahrscheinlich erfolgreichsten deutschen Musiker wird,

00:53:12: der aber seine Herkunft aus dem Bochumer Schauspielhaus und sein kreatives Arbeiten daher hat und im Übrigen auch aus Fo-Clubs in der Region Witten unter anderem, wo er dann noch wie der früher seine musikalischen ersten Gehversuche

00:53:26: gemacht hat, die er

00:53:28: dass dann seine eigenen Lieder, eigenen Texte und seine Musik anging, ja in der Form nicht am Theater ausleben konnte und das alles führt dann dazu, dass ich auch in

00:53:36: Bochum an anderen Stellen wieder in den 80er Jahren eine spannende musikalische Szene entwickelt.

00:53:42: Geier-Sturzflug, die so ein bisschen anarchisch unterwegs sind mit dem Bruttosozialprodukt und Besuchen sie Europa, solange es noch steht oder der puren Lust am Leben sind auch aus dem Bochumer Dunstkreis und einige andere mehr.

00:53:54: Da sind nun mal so punktuelle Phänomene, die stattfinden, die ich total spannend finde, die aber, wie gesagt, oft nicht nachhaltig sind von

00:54:02: dem genannten ist auch keiner mehr in Bochum, ne? Grönemeyer wohnt, soweit ich das weiß, zumindest schon seit vielen, vielen Jahren in England. Geier-Sturzflug sind auch nicht mehr in Bochum, einer der treibenden, kreativenden Kräfte von Geier Sturzflug ist Klaus Vier, der seit vielen Jahren Radiomoderator bei Einslive ist und dementsprechend also auch in die große Stadt Köln gezogen ist.

00:54:21: Diese Phänomene sind hochinteressant und sie machen glaube ich auch das Ruhrgebiet aus. Das ist eine Region, in der es eben immer wieder möglich ist, dass sich so

00:54:29: Phänomene entwickeln und auch so spannende Dinge entwickeln. Ich bin da kein Experte, aber ich kann es

00:54:36: als reiner Konsument wahrnehmen, dass in den letzten vier, fünf Jahren neben dem Berliner Hip-Hop eben allen voran Hip-Hop aus dem Ruhrgebiet die deutschen Charts anführt und unglaublich erfolgreich ist.

00:54:49: Ganz andere Erzählungen, die ich jetzt nicht machen will, weil ich mich da auch auf zu dünnem Eis bewege, aber ja, es gibt natürlich auch im Ruhrgebiet

00:54:57: als eine Region der Arbeiter, aber allen voran als eine Gastarbeiterregion, also eine stark immigrantisch geprägte Region gibt es eine tiefe und lange Hip-Hop-Historie,

00:55:09: die unglaublich spannend ist, die auch wiederum immer wieder changiert zwischen reinen migrantischen Hip-Hop-Bewegungen und

00:55:18: dann weiß man nicht, ob man's so sagen darf, ich mach's mit äh größtmöglichen Anführungsstrichen mit Biodeutschen, Hip-Hop-Bewegungen, die sich aber auch gegenseitig befruchten, aber auch immer wieder abgrenzen müssen. Witten wird zu Zeiten

00:55:31: eine der Hochburgen für den Ruhrgebiets Hip Hop, mittlerweile sind's andere Städte, sind's Dortmund, sind's Bochum, sind's Essen, aber auch das ist eine Geschichte, die faszinierend ist und wo dann wiederum,

00:55:43: Ja, muss es wahrscheinlich sogar so sagen, vor allem soziokulturelle Faktoren dazu führen, dass sich in einer solchen Region solche Musikstile entwickeln.

00:55:53: jetzt haben wir so eine schöne Pop-historische Reise durch Köln, Düsseldorf und das Ruhrgebiet gemacht.

00:56:01: Und wer mag, kann die Touren auch nochmal im Internet nachlesen und nachgehen.

00:56:06: Schaut doch mal unter www.dein-nrw.de/soundofurbanana.

00:56:17: Und ich freue mich so sehr, dass ich dich lieber Ole und deine große Leidenschaft für

00:56:23: Musik in und aus Nordrhein-Westfalen und sogar darüber hinaus weltweit kennenlernen durfte.

00:56:29: Vielen vielen Dank lieber Ole, für deine Zeit und deine Art. Vielen Dank, dass ich da sein durfte.

00:56:36: Dieses Projekt wird als Teil der Reaktion auf die Covid 19 Pandemie gefördert.

00:56:40: Music.

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